Sonnenstrom nutzen, auch wenn die Sonne nicht scheint

Technologien zur Speicherung von Strom sind ein Schlüssel für das Gelingen der Energiewende. Das Überlandwerk Krumbach, ein gemeinsames Tochterunternehmen der Lechwerke und der Stadt Krumbach, erprobt deshalb in einem Projekt den kombinierten Einsatz von Wärmepumpe mit thermischem Pufferspeicher und leistungsstarker Batterien in einem Privathaushalt. Sie speichern den über eine Photovoltaikanlage bei Sonnenschein erzeugten Strom und versorgen die elektrischen Geräte im Haus in den Nachmittags- und Abendstunden.

Das bayerische Energiekonzept sieht vor, den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 auf 50 Prozent zu verdoppeln. Bis 2050 sollen bundesweit sogar 80 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Doch der Zubau zehntausender neuer Anlagen zur dezentralen Stromerzeugung alleine reicht nicht aus, um die Energiewende erfolgreich zu meistern. Weil die Stromerzeugung aus Windkraft und Fotovoltaik wetterbedingten starken Schwankungen unterworfen ist, müssen zum einen die Stromnetze ausgebaut und modernisiert werden. Zum anderen müssen neue Möglichkeiten zur Steuerung des Stromverbrauchs und zur Speicherung von Strom entwickelt werden. Die Lechwerke haben deshalb in den Bereichen Erzeugung, Netz und Anwendungen für Endkunden eine Reihe von Projekten aufgelegt, in denen der Einsatz neuer Technologien erprobt und untersucht wird.

Eine dieser neuen Technologien steht im Technikraum des Hauses von Dr. Ildiko Sugar. Die Hautärztin hat im Sommer vergangenen Jahres westlich von Augsburg ihr neues Haus bezogen. Klimaschutz liegt der Medizinerin am Herzen. Beim Bau des Hauses hat sie deshalb darauf geachtet, dass höchste Anforderungen an den Klimaschutz erfüllt werden. Herausgekommen ist ein Haus nach dem KfW30- Standard, das einen Heizenergiebedarf von nur noch etwa 15 kWh/m² im Jahr hat. Eine Lüftungsanlage mit Wärmetauschern zur Wärmerückgewinnung sorgt jederzeit für gute Luft und verhindert im ansonsten dichten Gebäude etwaige Feuchte. An den wenigen kalten Tagen im Jahr springt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in Splitbauweise an, beheizt das Gebäude und bereitet das im Haushalt benötigte Warmwasser.

Nahezu energieautark durch PV-Anlage, Wärmepumpe und innovativem Speicherkonzept

Das nach Süden ausgerichtete Pultdach bietet Platz für eine integrierte Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 23 kW. Sie erzeugt etwa 25.000 Kilowattstunden im Jahr. Das ist in Summe erheblich mehr, als Ildiko Sugar für Hausgeräte, Lüftungsanlage und Wärmepumpe verbrauchen wird.

„Man spricht in einem solchen Fall von einem Plusenergiehaus. Dieser Begriff ist allerdings nur zutreffend, wenn man die über einen längeren Zeitraum verbrauchten Strommengen saldiert“, erklärt Arno Pöhlmann, Geschäftsführer des Überlandwerks Krumbach (ÜWK). „Betrachtet man einzelne Tage, kann es durchaus sein, dass wegen fehlender Speichermöglichkeiten mehr Strom aus dem Netz bezogen als erzeugt wird.“

Dabei bringt das Haus von Ildiko Sugar bereits gute Voraussetzungen mit: Die Wärmepumpe ist mit einem 2.000 Liter fassenden Heizungspufferspeicher verbunden, der die Energie in Form von Wärme aufnehmen und wieder abgeben kann. Tagsüber kann die Wärmepumpenanlage so an sonnigen, aber kalten Wintertagen die mit hoher Leistungszahl erzeugte Wärme im Pufferspeicher zwischenspeichern. In den dann folgenden gewöhnlich noch kälteren Winternächten wird die Wärmeenergie dem Pufferspeicher entnommen und das Gebäude äußerst effizient beheizt.

„Solche Wärmespeicher werden bei der Energieversorgung der Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, sagt Arno Pöhlmann. „Sie können helfen, die schwankende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen.“

Pöhlmann, selbst Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e. V., stand mit Ildiko Sugar schon lange im Kontakt. Beide verbindet das Engagement für erneuerbare Energien und das Interesse an neuen Technologien. Der ÜWK-Geschäftsführer hatte bereits den großen Pufferspeicher für das Haus von Ildiko Sugar angeregt und schlug ihr nun eine Testregelung beim Strombezug vor: Haushalt und Wärmepumpe sollten über eine gemeinsame Messeinrichtung an das Stromnetz angeschlossen werden. Der eingebaute Zähler ist ein Zweitarif-Zweirichtungszähler. Dieser kann Strombezug und Rücklieferung getrennt erfassen. Beim Strombezug gibt es darüber hinaus unterschiedliche Strompreise für Starklast- und Schwachlastzeiten. Damit kann Ildiko Sugar die Erzeugung ihrer PV-Anlage sowohl für den Haushalt als auch für die Wärmepumpe nutzen und je nach Tarif getrennt verrechnen.

„Wir wollten beim Thema Eigenverbrauch aber noch einen Schritt weiter in Richtung Stromspeicher gehen“, berichtet Arno Pöhlmann. In Kooperation mit der RWE Effizienz GmbH, die derzeit verschiedene Batteriespeicher testet, wurde deshalb ein System mit einem Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 20,5 Kilowattstunden im Rahmen eines Pilotprojekts in das Haus von Ildiko Sugar eingebaut. Der Batteriespeicher kann Wechselstrom und Drehstrom erzeugen, den die Geräte im Haushalt sowie die Wärmepumpe benötigen.

Kann das Konzept helfen, die Netze zu entlasten? Erste Tests verlaufen vielversprechend.

Die Testanlage ist seit Ende März in Betrieb. „Wir wollen das System drei Jahre lang testen und verschiedene Fragestellungen untersuchen“, sagt Arno Pöhlmann. „Uns interessiert: Kann der Batteriespeicher zu einer Reduzierung der Einspeiseleistung in das Netz in der Zeit der maximalen Sonneneinstrahlung beitragen und damit helfen, die Netze zu entlasten? Erzeugt die Anlage auch im Winter genügend Strom? Gibt es im laufenden Betrieb irgendwelche Störungen oder Probleme? Wie steht es mit der Lebensdauer der eingesetzten Batterien?“

Erste Ergebnisse stimmten optimistisch, berichtet Arno Pöhlmann: „Am Ostersonntag beispielsweise hatte es geschneit. Trotzdem erzeugte die installierte Photovoltaikanlage mit der Leistung von 23 kW insgesamt 71 Kilowattstunden Strom. Haushalt und Wärmepumpe benötigten an diesem kalten Tag zusammen 35 Kilowattstunden. Der Batteriespeicher konnte am Mittag zu 100% aufgeladen werden und stand am Nachmittag, Abend und in der Nacht zur Eigenstromversorgung zur Verfügung.“ 39 kWh wurden mit einer maximalen Leistung von 10 kW in das Netz abgegeben. Ohne Batteriespeicher hätte die maximale Einspeiseleistung bei 22 kWh gelegen. Nur 6,4 Kilowattstunden wurden am Ostersonntag vom Energieversorger bezogen – trotz Wärmepumpenheizung. „Der Eigenversorgungsgrad lag an dem kalten Tag bei knapp 82 Prozent, das kann sich wirklich sehen lassen“, sagt Arno Pöhlmann.

Messtechnisch wird der Versuch maßgeblich durch das Umwelttechnikunternehmen Bacs & Söhne aus Gauting bei München unterstützt. Paul Bacs, Mitglied der Geschäftsführung, hat einen kleinen, leistungsstarken und preisgünstigen Mikroprozessor entwickelt. Dieser wird am Zählerplatz wie eine Sicherung eingebaut und ist über ein Zweidraht-Bussystem mit den Smart-Metern verbunden. Die Zählerdaten werden im Abstand weniger Sekunden abgefragt und in diesem Minirechner gespeichert. Ein integrierter Webserver bereitet die Daten auf und stellt sie per Internet den Berechtigten zur Verfügung. Über einen Filetransfer lassen sich die Daten im Viertelstundenraster auch auf den eigenen Rechner übertragen und dort per Excel auswerten.

„Mit einem Preis von deutlich über 20.000 Euro ist das Batteriespeichersystem, das wir eingesetzt haben, von einer Marktreife noch weit entfernt – auch wenn wir mit einer Lebensdauer von etwa 15 Jahren rechnen“, sagt Arno Pöhlmann. Allerdings werde es ähnlich wie bei der Entwicklung von Solarzellen wohl auch eine starke Preisdegression geben. Heute seien schon einphasige Speicher auf der Basis von Bleigel-Batterien mit einer haushaltstypischen Kapazität von etwa 5 kWh auf dem Markt. „Ich denke, ein solches System mit bis zu 50qm2 PV-Modulen auf dem Dach fertig montiert, den Wechselrichtern, Batterien und der Steuerung kann für etwa 15.000 Euro angeboten werden. Das sind dann nur etwa 5000 Euro mehr als ohne Batteriespeicher. Und so etwas rechnet sich auch nach der Neufassung des Erneuerbaren-Energien-Gesetz“, sagt Arno Pöhlmann.

Ildiko Sugar übrigens überlegt sich, ein Elektrofahrzeug anzuschaffen. Der elektrische Anschluss hierfür ist bereits verlegt. Und es sieht sogar danach aus, dass die PV-Anlage in Verbindung mit dem Batteriespeicher sogar noch den Strom zur Aufladung des Elektroautos liefern kann. „Tagsüber kostenlose Sonnenenergie tanken, mit eigenem Strom in die Praxis zu fahren und nach Einbruch der Dunkelheit dann mit diesem Strom noch etwas fernsehen. Das ist heute schon möglich“, sagt Arno Pöhlmann.

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