Bodensee thermisch nutzen
Die thermische Nutzung des Bodensees kann einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende in Baden-Württemberg leisten. Fast die Hälfte des jährlichen Wärmebedarfs der 11 Mio. Einwohner des Bundeslandes könnte theoretisch durch Bodenseewasser gedeckt werden.
Dies war das Fazit des internationalen Fachforums „Wärmenutzung aus dem Bodensee“, zu dem kürzlich das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und die Energieagentur Ravensburg eingeladen hatten. „Die Nutzung des Bodenseewassers als Wärmespeicher und Wärmequelle ist mit den Schutzzielen durchaus vereinbar“, unterstrich Peter Fuhrmann, der Leiter der Abteilung Wasser und Boden im Stuttgarter Umweltministerium. Um die Hälfte des jährlichen Wärmebedarfs der Baden-Württemberger aus dem Bodenseewasser zu decken, müsste diesem mithilfe von Wärmepumpen etwa ein Grad Wärme entzogen werden.
Grundlage hierfür sei die Richtlinie der internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) aus dem Jahr 2014. Diese gibt beispielsweise vor, dass das genutzte Wasser in 20 bis 40 Meter Tiefe eingeleitet werden muss. Die Auswirkungen der Wärmenutzung auf die mittlere Wassertemperatur seien minimal, wenn die Gesamtnutzungen im Bereich von unter ein GW blieben, so Thomas Wolf vom Institut für Seenforschung aus Langenargen. „Die Effekte des Klimawandels übersteigen in diesem Fall die Effekte der Wärmenutzung“, betonte Wolf. Ökologische und andere Schutzaspekte hätten jedoch gegenüber der thermischen Nutzung Priorität, unterstrich Wolf. Denn der zweitgrößte See Mitteleuropas ist ein einzigartiger Naturraum als auch wichtiger internationaler Trinkwasserspeicher. Rund 4,5 Mio. Menschen beziehen ihr Trinkwasser aus dem Bodensee.
Ökologisch und wirtschaftlich sind allerdings nur thermische Anlagen mit einer Leistung von mehr als 200 kW sinnvoll, wie auf der Tagung deutlich wurde. Interessant sei vor allem die Nahwärmeversorgung von Quartieren sowie von Hotels, Gewerbe- und Industriebauten mit einem permanenten Heiz- und Kühlbedarf. Eine wirtschaftliche Einzelfallprüfung sei jedoch aufgrund der derzeit niedrigen Ölpreise erforderlich. „Die Initialzündung für eine thermische Nutzung des Bodensees ist eine politische Aufgabe und erfordert eine Willensbildung bei Betreibern und Nutzern“, unterstrich Walter Göppel, Geschäftsführer der Energieagentur Ravensburg. Der Aufbau von Nah- und Fernwärmenetzen am Bodensee sei eine strategische Aufgabe und erfordere eine Perspektive über Jahrzehnte sowie politische Rückendeckung. In einem nächsten Schritt wolle man nun praktische Umsetzungsmöglichkeiten in Kommunen im Bodenseeraum eruieren.
Die weltweit größte Wärmepumpenanlage zur thermischen Nutzung von Seewasser mit einer Leistung von circa. 420 MW wird derzeit in Stockholm betrieben. Dort werden rund 2,1 Mio. Einwohner mit Seewärme versorgt. Auch am Zürichsee sowie in St. Moritz gibt es bereits Modellprojekte.