Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Prof. Quaschning, was verstehen Sie eigentlich unter Sektorkopplung?
Der Begriff Sektorkopplung wird in der Fachwelt erst seit kurzem intensiv diskutiert. Zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele müssen wir unsere Kohlendioxidemissionen aus der Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle spätestens bis zum Jahr 2040 auf null zurückfahren. Weder im Sektor Elektrizität noch in den Sektoren Wärme und Verkehr dürfen dann noch fossile Energieträger eingesetzt werden. In Deutschland ist eine vollständige Dekarbonisierung der Sektoren Wärme und Verkehr nur durch einen deutlich gesteigerten Einsatz von regenerativem Strom erreichbar. Es kommt also zu einer Sektorkopplung, indem der Elektrizitätssektor mit zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen der Wärme und des Verkehrs beiträgt.
Unter welchen Voraussetzungen ist Sektorkopplung sinnvoll?
Wird Kohlestrom zum Betrieb von elektrischen Heizungen oder Elektroautos verwendet, steigen die Kohlendioxidemissionen sogar an. Wir brauchen für eine erfolgreiche Sektorkopplung daher eine Elektrizitätsversorgung, die vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Um das zu erreichen, müssen der Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft deutlich gesteigert und ein Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 beschlossen werden.
Strom im Wärmemarkt galt bislang als verpönt. Woher kommt dieser recht plötzliche allgemeine Sinneswandel?
Früher stammte der Strom im Wärmemarkt ja von Atom- und Kohlekraftwerken mit den bekannten Problemen und Risiken. Inzwischen kommt aber schon ein Drittel unseres Stroms aus erneuerbaren Kraftwerken. Die technischen und ökonomischen Potenziale in Deutschland zur Nutzung der Biomasse, Tiefengeothermie und Solarthermie im Wärmebereich sind begrenzt. Damit ist bei uns Strom aus Solar- und Windkraftanlagen die einzige Option, den Wärmebereich wirklich vollständig zu dekarbonisieren.
Was kann die Politik dafür tun, um dies umzusetzen?
Zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele muss das Tempo der Energiewende um den Faktor vier gesteigert werden. Es reicht nicht, ein Abkommen ohne jeglichen Plan zu unterschreiben. Für das Erreichen der Ziele sind nun endlich auch Taten erforderlich. Neben einem deutlich schnelleren Ausbau der Photovoltaik- und Windkraft und einem sozialverträglichen Kohleausstieg bis 2030 ist für einen erfolgreichen Klimaschutz auch das baldige Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren und von Öl- und Gasheizungen erforderlich. Je länger wir damit warten, desto komplizierter und teurer wird am Ende die Energiewende, da wir dann fossile Heizungen und Autos schon vor dem Ende ihrer Lebensdauer wieder aus dem Verkehr ziehen müssen.
Der Interviewpartner
Volker Quaschning studierte Elektrotechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und promovierte 1996 an der TU Berlin zu Verschattung von Photovoltaiksystemen. Seine Habilitation zu den Strukturen einer klimaverträglichen Energieversorgung folgte im Jahr 2000. Von 1999 bis 2004 war er als Projektleiter für solare Systemanalyse beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Spanien tätig. Seit 2004 ist er als Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin tätig.